22. Aug. 2024
Auferstanden von den Roten
Der GAK ist zurück in der Bundesliga, weil Daniel Maderner und Co. die Rotjacken in überragender Manier zum Titel in der 2. Liga schossen. Aber eigentlich sind es stille Helfer im Hintergrund, die das wahrscheinlich größte Comeback der Fußballneuzeit in Österreich möglich machten.
„Hallo“, sagt Petra Hösele. „Kommst du dein Abo abholen?“, fragt sie den Herren, der gerade das kleine, aber feine GAK-Fancenter in Weinzödl im Grazer Norden betreten hat. „Ja, ich war gerade zufällig in der Nähe“, antwortet der Dauerkartenbesitzer „Wo hast du es denn?“, fragt Hösele und gibt gleich selbst die Antwort: „Im 14er, glaube ich, oder?“ Der Gast bejaht. Hösele kennt die GAK-Fans, immerhin arbeitet sie seit über 27 Jahren für den Klub. So lange wie niemand anderer. Der rege Betrieb, der aktuell beim Grazer Traditionsvereins herrscht, ist Teil einer einzigarten Erfolgsgeschichte. Denn der GAK, er hat es geschafft. Elf Jahre nach der Neugründung ist der Verein zurück in der Bundesliga. Von der letzten Spielklasse kämpfte sich der Klub dorthin zurück, wo er ganz lange zum Inventar gehörte: in die österreichische Bundesliga. Auch – aber eigentlich vor allem – dank Menschen wie Petra Hösele.
Es begann in Judendorf-Straßengel
Denn ja, es braucht einen Vorstand rund um Obmann René Ziesler, der dem Verein ohne großes Trompeten wie dem früherer Präsidenten Stabilität und Ruhe garantiert und als Sponsor schon seit der Neugründung dabei ist. Es braucht einen der talentiertesten Sportdirektoren des Landes wie Didi Elsneg, selbst einst Spieler beim GAK, am langen, elf Jahre dauernden Weg zurück von der 1. Klasse Mitte weg, wo der erste Gegner Judendorf- Straßengel hieß. Es braucht einen Trainer wie Gernot Messner, selbst einst Bundesligaprofi bei Austria Salzburg oder dem WAC, und von Elsneg in der WAC-Akademie entdeckt. Und natürlich braucht es auch Spieler wie Goalgetter Daniel Maderner, Kapitän Marco Perchtold – zu dem kommen wir noch – oder die Nummer 1 Jakob Meierhofer, um nur einige zu nennen. Aber sie alle konnten überhaupt nur deshalb irgendwann den GAK-Dress überstreifen, weil ein paar Menschen das, was im Herbst 2012 passierte, partout nicht hinnehmen wollten. Oder eigentlich muss man sagen: konnten.
Seit frühester Kindheit den GAK im Herzen
„Es war schlimm“, sagt Petra Hösele, wenn sie an die Zeit damals zurückdenkt. „Natürlich entstehen Freundschaften über die Jahre, daher haben wir uns auch weiter getroffen“, erklärt sie, aber eigentlich war es damals vorbei. Der GAK, ihr Verein, der Klub und – es klingt so groß, aber für Fußballfans ist es genau das – Lebensinhalt für sie und so viele Anhänger war plötzlich nicht mehr da. Jahrelange Misswirtschaft, verspielte Aufstiege in der Regionalliga und vier Konkurse hatten „die Roten“, wie man in Graz sagt, beerdigt, doch die Fans ließen den GAK wiederauferstehen.
Hösele trägt ihren Verein seit frühester Kindheit im Herzen. Mit sechs Jahren besuchte sie im alten Liebenauer Stadion mit Papa und Bruder die ersten Spiele. Dann stand sie in der Kurve, organisierte Fanfahrten, und als sie schwanger wurde, suchte sie sich einen neuen Weg, ihren Verein zu unterstützen: Karten verkaufen. „Meine Kinder saßen zwischen meinen Beinen, wenn ich die Tickets verkauft habe.“ Kein Wunder, dass beide zu kicken begannen. Sohn Lukas stand sogar bis zur Regionalliga als zweiter Tormann im Kader der Rotjacken. „Er ist in der Unterliga zum GAK gekommen, hat auch in der Zweier-Mannschaft gespielt. Das war ein komisches Gefühl, dem Sohn zuzuschauen. Da war ich dann ja nicht nur GAK-Fan, sondern auch Fan des eigenen Kindes. Natürlich habe ich mir gewünscht, dass er alles richtig macht und natürlich war ich sehr stolz.“ An eine Partie erinnert sie sich noch gerne zurück. „Sein erstes Spiel war damals in der Unterliga in Unterpremstätten und er hat zu Null gespielt.“ Heute ist Lukas noch Tormanntrainer in der GAK-Jugend und spielt bei Grambach, Tochter Teresa kickt bei LUV Graz.
Mit dem Fernglas auf der Dachterrasse
„Kassa“, steht passenderweise auf einem alten Schild hinter Petra Hösele im GAK-Fancenter. „Das ist noch aus dem alten Casino-Stadion“, sagt sie. Und spricht damit die historische Heimat der Rotjacken an, die 2005 einem Wohnkomplex weichen musste. Das Casino-Stadion, es stand in der Grazer Körösistraße, in der alten Vorstadt, die schon längst mitten ins Zentrum der steirischen Landeshauptstadt gewachsen ist. Hier wuchsen zwei Männer auf, die Petra Hösele im Jahr 1997 zum UEFA-Cup-Spiel gegen Inter in Mailand mitnahm – und von denen beide federführend von Stunde null an der Auferstehung des GAK mitwerkten: die Dielachers. Einer von ihnen, Georg, sitzt gerade im Büro hinter Hösele. Er ist für Fanshop, Merchandising und Ausrüstung zuständig, aber auch Sicherheits- und Spieltagsverantwortlicher. Nun nimmt er sich auf der Terrasse für ein Gespräch Zeit. Und Terrasse ist ein gutes Stichwort. Ihn und seinen jüngeren Bruder Matthias (der als Obmann-Stellvertreter, Vereinssprecher und Akademie-Geschäftsführer einen ähnlich vielfältigen Aufgabenbereich wie sein Bruder hat) hatte das GAK-Fieber in der 2. Liga gepackt. „Wenn ich nicht auf den Kickplatz konnte, dann habe ich als Kind gewusst: Via unserer Dachterrasse konnte ich mit dem Fernglas auf die Anzeigetafel des Casino-Stadions schauen.“
Neue Ziele
Neben Hösele und den Dielachers gäbe es mit Florian Stadlober (Merchandising), Mathias Pascottini (Stadionsprecher) und Herbert Posch (einst Zeugwart, heute im hohen Alter noch immer Helfer im Pressebereich) nur noch eine Handvoll Menschen, die wirklich seit 13 Jahren daran arbeiteten, die Rückkehr in die höchste Spielklasse möglich zu machen. Nebst all den anderen vielen kleinen und großen Rädchen, die zusammenspielen, wenn eine ganz Fußballfamilie zusammensteht, um das schier Unmögliche möglich zu machen. Wir sollten an dieser Stelle betonen: Der GAK, er ist wohl weltweit der einzige Meister aller existierenden Spielklassen. „Wichtig war, dass wir die Marke reparieren, und das war nur durch einen kompletten Neustart möglich“, sagt Dielacher. Im Nachhinein der richtige Schritt, aber auch ein mutiger. „Ich habe gewusst, es gibt einen Kern von 2.500 Leuten, die immer kommen werden, um den GAK zu sehen. Und es waren von Anfang an nicht nur junge Menschen aus der Kurve, sondern auch ältere Fans“, erinnert er sich.
Von Beginn an hatte der GAK viele gute Spieler, die heutige Vereinsikone Gerald Säumel, der lange im Unterhaus Kapitän war, kehrte bereits im Winter der ersten Spielzeit des „neuen“ GAK zurück – mit 35 Bundesliga-Spielen im Gepäck. „Was wir nicht wussten am Anfang: Die sportliche Qualität ist auch in den unteren Klassen sehr hoch. Ab der Oberliga, der fünfthöchsten Spielklasse, war es sehr herausfordernd“, sagt Dielacher. Bis auf die fünf Jahre in der 2. Liga konnte der GAK aber jedes Jahr auf Anhieb aufsteigen. Aber wie geht es jetzt weiter? Ist das Ziel erreicht? „Die Geschichte ist schon ganz gut erzählt, das, was wir begonnen haben, hat einen Abschluss gefunden“, sagt Dielacher und findet aber gleich ein neues, persönliches Ziel: „Sturm im Derby schlagen.“ Dass er seit drei Jahren hauptberuflich beim Verein ist, fühle sich noch immer komisch an. Aus einem einfachen Grund: „Ganz am Anfang habe ich mich extrem unwohl gefühlt, weil ich von dem Verein Geld bekommen habe, für den ich immer versucht habe, etwas aufzustellen, damit der sportliche Aufstieg gelingt.“ Der Aufstieg habe vor allem Druck genommen. „Wir hatten das Dornbirn-Desaster, wo wir am letzten Spieltag die Meisterschaft verspielt haben. So blöd es klingt: Wir haben über die Jahre an uns selbst den Anspruch entwickelt, dass wir für die GAK-Familie die Rückkehr in die Bundesliga fixieren müssen.“
Jetzt, da dieser geschafft ist, denkt er auch ans Drumherum. „Wir wollen mehr Leute anstellen, die unterstützen, um noch professioneller und breiter aufgestellt zu sein.“ Dass die Liebe zum Verein nicht nur abseits des Rasens sichtbar wird, zeigt eine andere Personalie: Marco Perchtold. 2007 war er live dabei, als der GAK gegen die SV Ried 2:3 in Liebenau verlor – und zum letzten Mal in der Bundesliga zu sehen war. „Ich war 18 Jahre alt und weiß noch, dass eher jene spielen durften, die auch in der nächsten Saison beim Verein bleiben wollten“, erinnert er sich. Perchtold kehrte 2017 als gestandener Bundesliga-Spieler zum GAK zurück. „Ich war ab der Gebietsliga als Fan dabei, weil Gerald Säumel ein guter Freund von mir ist“, erzählt der mittlerweile 35-Jährige, der das Team in der Aufstiegssaison der 2. Liga als Kapitän aufs Feld führte und dessen Trauzeuge Sportdirektor Didi Elsneg ist. Das Comeback des GAK ist schon die Erzählung einer außergewöhnlichen Wiederauferstehung, aber die persönliche Geschichte von Marco Perchtold steht ihr um kaum etwas nach. „Ja, eigentlich ist es ein Märchen“, sagt er. 17 Jahre nach dem letzten Bundesliga-Spiel des GAK wird er bei der Rückkehr wieder, oder besser, noch immer am Rasen stehen.
„Der GAK ist für mich nicht Arbeit“
Wenn er zuhause von Beginn an aufläuft, wird ihn Petra Hösele übrigens nicht auf die Beine schauen können, aber das ist seit Jahren schon so. „Ich verpasse als Ticketing- Verantwortliche die erste Halbzeit der Heimspiele schon seit Jahren“, sagt sie mit einem Lächeln. Es hätte – wie bei Georg Dielacher übrigens auch – schon die Überlegung gegeben aufzuhören, wenn das Bundesliga-Comeback fixiert ist. Aber so recht wüsste sie nicht, was sie sonst machen solle. „Der GAK ist Teil meines Lebens, was soll ich sonst am Wochenende oder Dienstag und Donnerstag, wenn wir hier geöffnet haben, tun?“, fragt sie. „Einerseits ist es schwer, sich davon zu trennen, andererseits schwer, jemanden zu finden, der auch mal um 10 Uhr am Abend Mails beantwortet oder Anrufe annimmt.“ An dieser Stelle sollte vielleicht noch erwähnt werden, dass Hösele, wie so viele andere im GAK-Umfeld, lange ehrenamtlich für den „neuen“ GAK arbeitete. Seit drei Jahren erst ist sie geringfügig angestellt, übrigens neben einem Vollzeitjob. Aber, will sie klarstellen: „Der GAK ist für mich nicht Arbeit!“ Und doch wartet sie jetzt wieder, ein neuer Aboabholer kommt durch die Tür herein. 3.000 Abos waren es übrigens im Frühjahr, jetzt, Anfang Juli, stehe man schon bei 3.400. Das wird noch mehr werden. Der GAK ist zurück – und damit nicht nur der Lebensinhalt und die Leidenschaft der Petra Höseles oder Georg Dielachers, sondern ganz vieler Menschen.
Fotos: GEPA pictures / Peter K Wagner