16. Feb. 2024

Mirko Kos: Wenn die Nummer 99 auf einmal die Nummer 1 ist

Nach der Verletzung von Chris Früchtl steht bei der Wiener Austria erstmals für längere Zeit die langjährige Nummer 99 im Tor. Im Interview mit bundesliga.at spricht Mirko Kos über seine „ersten Male“, wie er zum „Mentalitätsmonster" wurde und warum er vor dem Spiel Djokovic-Videos schaut.

 

Du kommst aus Mürzzuschlag, war deine erste Liebe wie bei Andi Gruber auch das Skifahren?

Ich hab’ mit dem Papa schon auch viele Stunden auf der Skipiste verbracht, war gar nicht schlecht und hab’ auch einmal den Kids Cup gewonnen, aber meine Lieblingssportarten waren immer Schwimmen und Fußball, die ich auch jahrelang nebeneinander ausgeübt habe.

Warum war dein erster Auftritt in der 2. Liga ein ganz besonderer?

Das 0:3 in Kapfenberg? Naja, das hat irgendwie gepasst. Ich war im Nachwuchs in Kapfenberg und meine Erfahrungen waren nicht so gut. Dort habe ich nur gehört, was ich alles schlecht mache und dass aus mir eh nie ein Profi wird. Das war für mich der komplett falsche Zugang. Ich war so voller Zorn, Wut und Tränen, dass ich total die Motivation verloren und sogar eine Weile mit dem Fußball aufgehört habe. Irgendwann hat der Papa gesehen, dass die Austria Spieler sucht und hat mich gefragt, ob ich es nicht dort probieren will. Ich hab' mir nur gedacht: Was mach' ich bei der Austria, wenn ich nicht einmal gut genug bin für Kapfenberg? Er hat mich dann doch überzeugt und es hat auf Anhieb gepasst. 

Aber deine ersten Pendelfahrten nach Wien verliefen nicht ganz problemlos, wie man unlängst auf der Website der Austria lesen konnte.

Mein Schwarzfahr-Erlebnis? Am Anfang habe ich für die Bahnfahrt nur ein Kinderticket gebraucht, nach dem 15. Geburtstag aber ein Erwachsenenticket, das natürlich doppelt so teuer war. Ich wollte mir etwas sparen und hab’ mir nur ein Kinderticket gekauft, als mich vor Wiener Neustadt der Schaffner kontrolliert hat. Ich hab' so getan, als würde ich in meinem Rucksack den Ausweis suchen, da hat er meine Tormannhandschuhe gesehen und gefragt, ob ich leicht Tormann bin. Da hat sich herausgestellt, dass er auch Tormanntrainer war und hat mich weiterfahren lassen. Ich bin dann noch jahrelang Zug gefahren und immer wenn er der Schaffner war, durfte ich erste Klasse fahren. Wir haben heute noch hin und wieder Kontakt.

Du bist 1,83 m, wann hast du das erste Mal gehört, dass du für einen Tormann zu klein bist? 

In der Akademie war das schon noch ein Thema. Da hat's öfter geheißen, wann kommt jetzt der Wachstumsschub? Der Papa hat mich alle drei Wochen gemessen und gesagt: Na bitte, bist eh schon wieder drei Millimeter gewachsen! Aber die letzten Jahre werde ich gar nicht mehr darauf angesprochen, weil ich gelernt habe, die paar Zentimeter zu kompensieren und mich dafür in der Kraftkammer zerrissen habe. Es stimmt ja nicht, dass nur Riesen im Tor stehen. Wenn ich an Casillas, Sommer oder Navas denke, die sind auch nicht größer als ich und sind oder waren super Tormänner. Sicher würde ich nicht nein sagen, wenn ich 1,90 sein könnte, aber ich habe jahrelang mit dem Pentzi trainiert, der ist so groß wie ich und ist zweimal Torhüter des Jahres in der ADMIRAL Bundesliga gewesen. Nur auf die Größe kommt's nicht an.

Du trägst die Rückennummer 99, weil sie in der Bundesliga die erste (erlaubte) Nummer von hinten ist?

Stimmt, daran hab’ ich noch gar nicht gedacht! Aber es war ein ganz einfacher Grund. Als ich in die Kampfmannschaft gekommen bin, hat der Zeugwart gesagt: Schau, für dich hätt' ich die Nummer 99. Als Junger widersprichst du nicht lang und nimmst, was du kriegst. Aber mittlerweile sag ich, die Nummer taugt mir, sie passt genau zu mir und deshalb gebe ich sie auch nicht mehr her.

Wie war dein erstes Bundesligaspiel im Juli 2020?

Es war gegen Mattersburg, wir haben 1:0 gewonnen. Aber ich war sehr aufgeregt und nervös, weil für mich plötzlich ein weit entfernter Traum wahr geworden ist, was bei meinem Jugendverlauf nicht selbstverständlich war. Ja, es war schon ein gewisses Talent da, aber es war nie so, dass für alle immer klar war, dass ich der nächste Einser-Tormann in der Bundesliga sein werde.

Wie hast du dich durchgeboxt? Auf den ersten Eindruck bist du ein Mentalitätsmonster, das trotz ewigem Nummer-2-Status in der Kabine für gute Stimmung sorgt.

Das mit dem Mentalitätsmonster hat sich im Laufe der Jahre so entwickelt. Mein Papa hat mir schon beigebracht, dass ich dreimal so viel machen muss wie andere. Ich habe praktisch in der Kraftkammer übernachtet. Eine große Inspiration ist auch Novak Djokovic für mich. Vor dem Hartberg-Match habe ich sicher eine Stunde Djokovic-Videos geschaut. Wie er redet, wie er sich gibt, er ist wirklich einer, zu dem ich aufschaue. Und in der Kabine taugt es mir einfach, da gibt es sicher keinen Tag, an dem ich nicht irgendeinen Blödsinn mache und lache.

Du hast jetzt deine ersten drei Spiele in der ADMIRAL Bundesliga gewonnen, damit bist wohl nicht nur du zufrieden. Mit 3,00 übertriffst du ja sogar den vom Präsidenten geforderten Punktschnitt von 2,60!

Das ist natürlich gut. So kann es weiter gehen. Da muss ich mich auch bei den Fans bedanken. Ihre Unterstützung ist ein Riesenschub für mich und die ganze Mannschaft. Wir sind Siebenter und die feiern uns wie nach dem Champions-League-Sieg.

 

Fotos: GEPA pictures