22. Feb. 2024

Scott Kennedy: Der Traum von der Heim-WM

Vom Ski-Ass in der Jugend, einem Deutschland-Abenteuer mit 18, über einen Fast-Aufstieg mit Austria Klagenfurt, dem verletzungsbedingten WM-Aus bis hin zum Stammspieler in Wolfsbergs Abwehr. Das ist die vielfältige Geschichte des Kanadiers Scott Kennedy.

 

Mit 160 Sachen die Streif runterbrettern, auch das hätte das Programm von Scott Kennedy Ende Januar Wochen sein können. Stattdessen war der Kanadier mit dem RZ Pellets WAC im Trainingslager in Alicante.

Bis 13 war Kennedy ein begabter Skifahrer, einer der besten in seinem Jahrgang in Kanada. Einer, der damals noch besser war als er, ist Jeffrey Read – und der bretterte tatsächlich Ende Januar die Streif runter, holte am Ende Platz 27.

Fußball statt Skifahren

Mit 13 entschied sich Kennedy jedoch für den Fußball. „Bei den Ski-Rennen war mir einfach zu kalt“, lacht er. Mit dem Kicken angefangen hat der heute 26-Jährige schon ganz jung, mit vier oder fünf Jahren, so genau weiß er das nicht mehr. Akademien gab es in Kanada kaum, nur bei den drei großen MLS-Klubs – und dorthin zu kommen war schwierig. So spielte er einige Jahre später in der U18 des Calgary Chinooks SC.

Im Frühjahr 2015 fliegt Kennedy mit seiner Mannschaft nach Deutschland um den europäischen Fußball kennen zu lernen. Organisiert hatte das sein Trainer, ein Deutscher. „Wir haben damals Geld gesammelt, damit wir uns die Reise leisten konnten“, erzählt Kennedy. In Deutschland wurde dann gegen die Jugendmannschaften einiger Profiklubs getestet – Stuttgarter Kickers und KSC zum Beispiel und gegen die U19 eines Viertligisten an dessen Namen er sich nicht mehr erinnern kann. „So erfolgreich waren wir nicht… aber gegen den Viertligisten haben wir immerhin gewonnen“, lacht der Defensivspieler.

Kennedy fiel auf, ein Bekannter seines Trainers wollte ihn nach Deutschland holen. Doch zuerst ging es zurück in die Heimat – High School beenden. Danach wagte sich der begeisterte Kartenspieler tatsächlich ins Abenteuer Deutschland und durfte beim Sechstligisten Traunstein seine ersten Schritte im Herrenfußball machen. Nach über 30 Spielen und auch einigen Toren im ersten Jahr ging es im nächsten Sommer zu einigen Klubs zum Probetraining. Doch sowohl bei Erfurt, als auch bei Nürnberg II passte es am Ende nicht. „In Nürnberg haben sie gemeint ich sollte zum FC Amberg gehen, das ist in der Nähe und sie haben mich im Blick. Dort ist es aber nicht ganz so gut gelaufen. Und von Nürnberg hat sich auch keiner mehr gemeldet“.

Nach einem Jahr beim deutschen Regionalliga-Absteiger ging es in die österreichische Regionalliga, zum SV Grödig. Dort spielte Kennedy seine bis dato beste Saison, beendete diese auf Rang zwei und erspielte sich einen Wechsel in die zweithöchste Spielklasse, zum SK Austria Klagenfurt. „Zwei Spieler von Grödig und zwei von unserem Gegner Anif sind im Paket nach Klagenfurt gewechselt“, erzählt Kennedy. Der Mitspieler war übrigens Benedikt Pichler, aktuell Leistungsträger bei Holstein Kiel.

Rückschlag und Karriere-Boost

Nach einer starken ersten Saison in Kärnten, wurde Kennedy im zweiten Jahr von einer Schambeinentzündung zurückgeworfen. Ganze acht Monate fehlte der Innenverteidiger. Erst im Juni konnte er wieder eingreifen. Glück im doppelten Unglück: Auf Grund der Covid-Pandemie standen binnen zwei Monaten noch elf Spiele an. Kennedy feierte ein starkes Comeback – und scheiterte am Ende nur unglaublich knapp am Aufstieg. Dank der schlechteren Tordifferenz wurde Austria Klagenfurt nur Zweiter.

Das gelungene Comeback hatte jedoch genug Eindruck hinterlassen, um einen Wechsel nach Deutschland zu ermöglichen. „Jahn Regensburg hatte mich schon längere Zeit beobachtet und großes Interesse. Wir haben meine Verletzung offen und ehrlich besprochen – und der Klub war bereit ein gewisses Risiko einzugehen. Vielleicht habe ich die Verantwortlichen mit meiner Professionalität überzeugt“, meint Kennedy und ergänzt: „Es waren intensive Gespräche. Ich habe größten Respekt für den damaligen Geschäftsführer Profifußball von Regensburg, Christian Keller. Ich bin ihm unendlich dankbar und mit seiner Art ist er ein Vorbild für mich“.

Kanada-Debüt und WM-Aus

In Deutschlands zweiter Liga reifte Kennedy schließlich zum Nationalspieler.  Mit ausschlaggebend war ein starker Cup-Run der Regensburger, die in der Saison 2020/21 erst im Viertelfinale an Bremen scheiterten, zuvor Köln eliminierten – auch dank eines Treffers von Kennedy.

Am 9. Juni 2021 absolvierte Kennedy schließlich sein erstes Länderspiel – „ich bekomme heute noch Gänsehaut, wenn ich daran denke“, verrät der mittlerweile 14-fache Teamspieler. Der das ganz große Highlight aber verpasste, denn bei der WM 2022 fehlte er mit einer Schulterverletzung. „Ich hatte einen Videocall mit dem Nationalteam-Trainer und einem Physio – und eigentlich war uns allen schon vor dem Call klar, wie er enden wird. Es war ein hartes Gespräch, mit vielen Emotionen. Das Ergebnis war, dass ich die Weltmeisterschaft verpassen werde. Man bot mir sogar an mitzufliegen, ich habe mich aber dagegen entschieden. Wenn, dann will ich richtig dabei sein - beim nächsten Mal.“

Mit dem Jahn folgte anschließend der Abstieg in die 3. Liga. Auch um weiter im Fokus der Nationalmannschaft zu bleiben, entschied sich Kennedy für einen Wechsel – und heuerte beim WAC an. Zum ersten Mal in seiner Karriere spielte der Kanadier in der ersten Liga. „Es gab mehrere Gründe – ich kenne das Land, kann die Sprache, der Klub war zuletzt erfolgreich und kann um die Top-Sechs mitspielen – und im Idealfall auch um die internationalen Plätze. Denn ich habe noch nie international gespielt“. Auch Titel hat Kennedy noch keinen gewonnen. „Man sieht, das ist im Erwachsenenfußball gar nicht so einfach“, lacht er.

Und 2026 steht auch noch die Heim-WM an. Und diesmal will Kennedy dabei sein, als Spieler und nicht als Gast. Im Austausch mit dem Nationalteam-Staff ist er regelmäßig, zuletzt stand er im Sommer 2023 für Nations League und Gold Cup im Kader. Auch wenn das lange Reisen anstrengend ist, die Strapazen nimmt Kennedy gerne wieder in Kauf: „Ich sehe keinen Grund, warum ich das nicht machen wollen würde. Ich würde nie nein sagen“.

Die Ziele stehen also fest – einen Titel holen, bei der Weltmeisterschaft spielen. Und dann gibt es noch den Traum davon in einer Top-Liga zu spielen. Das größte Ziel ist aber ein ganz anderes: „Ich will alles aus mir herausholen, ein paar Prozente sind noch drin. Wohin mich das bringt, das weiß keiner. Ich konzentriere mich nur auf das Hier und Jetzt, auf die nächsten drei Tage.“ Aber den Traumklub verrät Kennedy dann doch noch: Liverpool. „Weil die Fans dort so genial sind. Aber das ist weit weg…“

 

Fotos: GEPA pictures