Lustenau - Altach: Warum Philipp Netzer sein 1. Derbytor nie vergisst

10. November 2022 in ADMIRAL Bundesliga

Philipp Netzer vor dem heißen Ländle-Derby über seine Traumtor vor elf Jahren, bittere Erinnerungen an das Reichshofstadion und warum es Altach vielleicht hilft, dass er diesmal nicht dabei sein kann.

 

Philipp Netzer hat mit Altach in den letzten 18 Jahren 18 Vorarlberg-Derbys gegen Austria Lustenau bestritten. In der ersten Saison nach dem Karriereende wird er diesmal allerdings fehlen, steht doch am Samstag ausgerechet zur selben Zeit ein Match seiner Juniors, wo er Co-Trainer ist, gegen seinen alten Buddy Martin Kobras an. Warum er mit dem Lokalrivalen Austria Lustenau besonders viele Emotionen verbindet, sein erstes Mal im Europacup eine sehr unschöne, das letzte Profispiel aber eine umso unglaublichere Erfahrung war, hat er bundesliga.at in unserer Kategorie „Das erste Mal“ verraten:

Bundesliga.at: Am Samstag bist du das erste Mal seit 13 Jahren bei einem Derby von Altach im Reichshofstadion gegen Lustenau nicht im Stadion.
Philipp Netzer: Ja leider. Weil ich bin da mit den Altach Juniors, wo ich Co-Trainer bin, in Rotenberg. Da spielen wir gegen die Mannschaft, bei der Martin Kobras im Tor steht. Wir sind befreundet, telefonieren auch ziemlich häufig. Wir wurden beide gerade am Sonntag vor dem Spiel gegen Sturm gemeinsam verabschiedet. Da waren auch unsere Heimatgemeinden aus Lingenau und Lochau da. Das war sehr schön.

Vielleicht ist es sogar besser für Altach, dass du am Samstag nicht im Stadion bist. Deine Derbybilanz im Reichshofstadion ist fürchterlich. Nur 1 Sieg in 8 Duellen, 5 Niederlagen und zweimal hast du von der Tribüne eine Niederlage gesehen.

Ich hab die Spiele in Lustenau eigentlich nie so genießen können. In dem Stadion hatte ich immer ein schlechtes Gefühl. Besonders erinnere ich mich an das Derby 2014, bei dem wir schon als Bundesliga-Aufsteiger festgestanden sind. Die Lustenauer sind vor dem Match noch Spalier für uns gestanden, haben uns eine Platte Lustenauer Köstlichkeiten überreicht. Dann war es eines der schlechtesten Spiele mit Altach überhaupt. Ich hab zum ersten Mal in einer Viererkette gespielt, war vorher immer Sechser. Canadi hat gesagt, wir probieren es aus, jetzt ist es eh egal. Und mir ist ein Fehler nach dem anderen passiert. Wir haben 0:5 verloren – eine Katastrophe. Ab der Saison darauf habe ich dann aber trotzdem in der Mitte der Dreierkette in der Verteidigung gespielt und es hat gut funktioniert.

Schönere Erinnerungen hast du ja an dein erstes Derby daheim gegen Lustenau 2004.

Ja, obwohl ich mich mich nur noch verschwommen erinnern kann. Da war ich 19 und hab noch Zehner oder Achter gespielt. Wir haben daheim 4:0 gewonnen. Ich bin in der 73. eingewechselt worden für Roman Kienast, der zweimal getroffen hat.

Kannst du dich noch an dein erstes Derbytor gegen Austria Lustenau erinnern?

Sogar besonders gut, weil das war eines der schönsten Tore meiner Karriere. 2011 beim 1:1. Tomi hat mir den Ball von rechts reingespielt, ungefähr 25 Meter vor dem Tor. Kurz vor meinem Schuss springt der Ball auf und ich treffe ihn perfekt in den rechten Winkel. Tormann Alex Kofler hat gar nicht mehr reagiert. Es war dann sogar als Tor des Jahres in Vorarlberg nominiert. Aber die Wahl hat dann ein FC Lustenau Spieler gewonnen. Der Christoph Freitag hat den Ball von noch weiter weg über den Tormann geschossen. Ich bin immer noch der Meinung, dass ich diesen Titel verdient hätte.

Du hast mit Altach in der Europa-League-Quali zweimal für Furore gesorgt. Aber was war dein erstes Europacupspiel?

Das war noch für die Austria gegen Sparta Prag, wo wir 0:1 verloren haben. Komischerweise ausgerechnet unter Georg Zellhofer, der mich vorher komplett zu den Amateuren geschickt hat. Dann auf einmal hat er mich im Happel-Stadion im UEFA Cup spielen lassen. Keine Ahnung, was ihm da eingefallen ist. Es war keine gute Partie von mir. Aber logisch: Ich war überhaupt nicht vorbereitet, weil ich sonst praktisch keine Einsatzzeit in der Saison bei den Profis bekommen habe. Ich durfte ja sogar nur in der Woche vor dem Europacupspiel mittrainieren, spielte dann auf einmal von Beginn weg und war schwer nervös. Eine Topleistung wäre eine ziemliche Überraschung gewesen. Das war auch noch in einer Phase, wo es in der Mannschaft nicht so gut funktioniert hat.

Umso schöner war dein letzter Profieinsatz in Altach dieses Jahr, wo ihr in der letzten Runde gegen Tirol den Klassenerhalt geschafft habt.

Das war der perfekte Abschluss meiner Karriere. Viel besser kannst du nicht aufhören. Da kommen immer noch Glücksgefühle auf, wenn ich daran zurückdenke. Wenn du die Freude und Erleichterung in den Augen jeder Person siehst, macht es dich richtig stolz, dazu was beigetragen zu haben. Der Tag ist schon ganz komisch vorher verlaufen. Normalerweise hätte unglaubliche Nervösität herrschen müssen. Wir sind vom Hotel ins Stadion gefahren und alle waren ganz ruhig, es war kaum eine Nervösität zu spüren. Die ersten Fans haben uns schon mit Pytotechnik und Gesängen empfangen. Rückblickend war mir irgendwie klar, wir schaffen das, egal wie. So kams dann auch. Alles war wie in einem Film. Meine Einwechslung war auch so eine Sache. Ich war am Aufwärmen und gerade als mich der Co-Trainer zum Wechselbereich ruft, fällt der Anschlusstreffer zum 1:2 und ich denk mir: Fuck, jetzt werde ich wahrscheinlich in die Innenverteidigung eingewechselt und mach vielleicht irgendeinen Scheiss und wir verlieren noch.

Trotz deiner Routine hattest du solche Ängste?
Absolut. Das schießt dir einfach durch den Kopf. Wenn ich einen Fehler mach und wir kriegen das Tor, bin ich noch der Depp, der den Abstieg besiegelt. Dann war ich schon einmal froh, dass ich als Sechser gekommen bin. Ab da kann ich mich bis zum Abpiff an nix mehr erinnere. Ich bin nur noch gelaufen, hab versucht Zweikämpfe zu gewinnen und den Ball zum Mitspieler zu bringen. Das war ganz extrem und eine unglaubliche Erleichterung.

Artikel teilen: